Bonn. Man mag die veränderten gesellschaftlichen Wünsche und die Forderung nach erhöhten Qualitätskriterien in der Tierhaltung kritisch betrachten, aber sie sind ein Fakt und verlangen von uns allen die erforderliche Anpassung. Der Regierungswechsel in Berlin ist deshalb für die gesamte Agrar- und Ernährungswirtschaft spannend. Auch wenn überwiegend die Marktkräfte über Angebot, Nachfrage und Qualität entscheiden sollten, benötigen wir klare politische Rahmenbedingungen. Wie erfolgreich die Transformation in der Land- und Ernährungswirtschaft und somit auch der Tierhaltung gelingt, hängt maßgeblich von der Umsetzung vorliegender Strategiepläne ab.
Entsprechende Empfehlungen zum Umbau der Nutztierhaltung liegen von der Borchert-Kommission vor. Die Zukunftskommission Landwirtschaft hat weitere Rahmenbedingungen hinzugefügt. Die Wechselwirkung zwischen pflanzlicher und tierischer Produktion hat in diesen Konzepten allerdings eine untergeordnete Bedeutung. Sie muss berücksichtigt werden, um mit einem ganzheitlichen Ansatz die Veränderungen erfolgreich zu gestalten und den ländlichen Raum mit Natur, Umwelt und Wirtschaft zu erhalten. Die Fütterung ist dafür das Bindeglied.
Dass die Transformation nicht mehr aufzuhalten ist, zeigt ein Blick auf die Zahlen der Tierbestände. Insbesondere in der Schweinehaltung ist ein klarer Rückgang des Gesamtbestandes zu beobachten. Wenn auch die sinkenden Tierbestände zunächst krisenbedingt sind, spielen langfristige, marktunabhängige Faktoren eine bedeutende Rolle. Neben steigenden Auflagen für die Tierhalter sind vor allem neue gesellschaftliche Ansprüche Treiber der Entwicklung.
Der Wunsch nach einer stärker am Tierwohl orientierten Haltung muss dabei Hand in Hand gehen mit der Existenzsicherung der heimischen Landwirtschaft und mit ihr verbundenen Branchen. Dazu muss die Gesellschaft den technischen Fortschritt und somit auch den Wert der Züchtungserfolge neuer genomischer Techniken anerkennen.
Die Futtermittelwirtschaft bringt sich mit vielen Lösungsansätzen ein. Bereits seit 2015 gibt es Leitlinien für eine ökologisch und sozial nachhaltige Sojabeschaffung, die jüngst um das Kriterium der Freiheit von Entwaldung und Landnutzungsänderung ergänzt wurden. Daneben arbeiten die Hersteller fortwährend am ressourceneffizienten Einsatz der Futtermittel, um Nährstoffüberschüsse und negative Umwelteinflüsse durch Ammoniak und Methan zu reduzieren. Heimische Rohstoffe und die Verwertung von Nebenprodukten aus anderen Industriezweigen leisten einen weiteren Beitrag.
Die Krise hat uns gelehrt, dass nachhaltiges Wirtschaften nur unter Nutzung globaler Ressourcen gelingt und offene Grenzen voraussetzt. Wir dürfen nicht in den Würgegriff bestimmter Länder geraten. Die zunehmenden logistischen Probleme für verschiedene Zusatzstoffe, die aus Asien kommen, stimmen sorgenvoll. Ebenso beeinflussend sind die durch die gesetzlichen Regelungen entstandenen hohen Energiekosten, für die Erleichterungen angestrebt werden müssen.