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Ein Jahr Dioxin - hat sich wirklich nichts verändert?

Deutscher Verband Tiernahrung e. V. (DVT)

Vor einem Jahr beschäftigte der Dioxin-Vorfall in Fetten die gesamte Agrar- und Lebensmittelbranche, darüber hinaus insbesondere die Medien. Ein Jahr danach melden sich wieder einige Stimmen. Die Kritik vonseiten einiger Verbraucherorganisationen in Richtung Politik und ihren Handlungen lautet: Angekündigte Maßnahmen zur Verbesserung der Futter- und Lebensmittelsicherheit seien nicht umgesetzt, man übe sich nur in Symbolpolitik und die Futtermittelbranche habe sich entsprechend mit ihren Vorstellungen durchgesetzt. Was ist jedoch dran an diesen Äußerungen und Vorwürfen? Hat sich wirklich seit einem Jahr nichts verändert und vor allem im Sinne des Verbraucherschutzes verbessert?

Was hat die Wirtschaft von sich aus verändert, um die Prozesse zu verbessern und die Produkte noch sicherer zu machen?

Die von der Futtermittelbranche selbst initiierten Maßnahmen sind unmittelbar nach dem Vorfall im April 2011 über das System der Qualität und Sicherheit GmbH (QS) umgesetzt worden. So ist zum einen eine flächendeckende Wirksamkeit gewährleistet, zum anderen sind Landwirtschaft, Fleischwirtschaft und Lebensmittelhandel – also die gesamte Erzeugungskette Fleisch – mit eingebunden. Die zusätzlichen Anforderungen beseitigen die sichtbar gewordenen Schwachstellen. Im Einzelnen:

  • Futterfette und -öle dürfen nur in Anlagen be- und verarbeitet werden, in denen ausschließlich Lebens- und Futtermittel hergestellt werden (Trennung der Produktionsströme).
  • Klarstellung des Verbots für Sekundär-, Recycling- und Sammelfette
  • Mischfette und Mischfettsäuren müssen einer Freigabeuntersuchung unterzogen werden. Für Futterfette  und -öle gilt ein erweiterter Monitoring-Plan.
  • Erweiterte Rückverfolgbarkeit: Die VVVO-Nummer des belieferten Betriebs muss zusätzlich zur Empfängerinformation erfasst und dokumentiert werden
  • Das QS-Prinzip heißt „Kontrolle der Kontrolle“: Neben Systemaudits, Stichprobenaudits, Sonderaudits und dem ständigen internen Kontrollsystem werden zukünftig zusätzlich unangekündigte Audits eingeplant (ab 1.1.2013).
  • Auch vorher gab es im QS-System unabhängig von gesetzlichen Regelungen die Verhängung von Sanktionsstrafen und Betriebssperrungen sowie eine Meldepflicht bei Grenzwertüberschreitungen an QS.

 

Wie steht es um die Vorgaben der Politik?

Einige der Maßnahmen aus dem 10-Punkte-Plan des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) sind noch im nationalen Gesetzgebungsverfahren oder bereits umgesetzt (Pressemitteilung vom BMELV, 13.12.2011). Mit einer Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) in Deutschland sind bislang mehrere Regelungen in Kraft getreten:

  • Meldepflicht für private Labore: Diese müssen ihre Analyseergebnisse an die zuständigen Behörden melden, wenn Grenz-oder Richtwerte an unerwünschten Stoffen in Futter- und Lebensmitteln überschritten werden.
  • Verschärfung des Strafrahmens auf eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren (wer Lebensmittel in den Handel bringt, die für den Verkehr nicht geeignet sind, und hierdurch u.a. aus grobem Eigennutz für sich oder andere große Vermögensvorteile erlangt).
  • Ausbau des Dioxin-Monitorings/Aufbau eines Frühwarnsystems: Die Mitteilungspflichten über Gehalte an Dioxinen und ähnlichen Stoffen in oder auf Lebens- oder Futtermitteln wurden neu geregelt.


Der Bundestag hat im Dezember 2011 ein Gesetz zur Änderung des Rechts der Verbraucherinformation (VIGÄndG) verabschiedet. Nach der Novelle des VIG sind die zuständigen Behörden künftig verpflichtet, die Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelüberwachung über alle Rechtsverstöße durch Grenzwertüberschreitungen umgehend zu veröffentlichen. Das Gesetz wird voraussichtlich im Herbst 2012 in Kraft treten.

Vor allem die Änderungen des LFGB (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch) und des VIG (Verbraucherinformationsgesetz) sehen der DVT und seine Mitgliedsunternehmen als problematisch. Regelungen, die nur für Deutschland gelten, sind für den effektiven Verbraucherschutz in einem Europäischen Binnenmarkt wertlos und stellen darüber hinaus eine klassische Wettbewerbsverzerrung für die hier ansässigen Firmen dar. Auch der Ausbau des Dioxin-Monitorings ist kritisch zu beurteilen: Diese retrospektive Sammlung einer Flut von Einzeldaten, die überwiegend für die Futtermittelsicherheit irrelevant sind, schafft Bürokratie und blockiert wertvolle Ressourcen auf der Behördenseite. Diese werden jedoch in der risikoorientierten Futtermittel- und Lebensmittelüberwachung dringend benötigt.

Auch auf Ebene der Europäischen Union (EU) waren Verbesserungen zum Schutz vor Dioxin in Futter- und Lebensmitteln ein Thema. Im Oktober 2011 haben sich die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten sich darauf geeinigt, einige von Deutschland vorgeschlagene Punkte umzusetzen. Mit der Änderungsverordnung werden u. a. folgende Maßnahmen geltendes EU-Recht:

  • Die Zulassungspflicht für Betriebe des Fettsektors nach der Futtermittelhygiene-Verordnung
  • getrennte Behandlung und Lagerung von Waren, die technischen Zwecken dienen und nicht den futtermittelrechtlichen Anforderungen genügen
  • Vorgaben zur Zahl der Eingangs- bzw. Abgangskontrollen und zu den Partiegrößen


Zu begrüßen ist die europäisch geregelte Zulassungspflicht, positiv wird auch die Konzentration der Überwachungsmaßnahmen auf die potenziellen Verursacher von Dioxin-Kontaminationen und die Einbeziehung aller vorgelagerten Stufen der Futtermittelwirtkette.

Wo gibt es darüber hinaus noch Defizite?

  • Verbindlichkeit der Futtermittel-Positivliste: Nach Gesprächen zwischen Deutschland und der Europäischen Kommission zeichnet sich ab, dass diese Forderung EU-weit nicht durchsetzbar ist, der EU-Katalog für Einzelfuttermittel entsprechend ergänzt wird.
    => Unabhängig von gesetzlichen Verankerungen besitzt Deutschland seit 2001 eine Positivliste für Einzelfuttermittel (www.dlg.org/positivliste.html). Die Futtermittelbranche sieht deshalb keinen Bedarf, diese gesetzlich zu verankern.
  • Absicherung des Haftungsrisikos: Das BMELV prüft, ob und wie eine Absicherung von Haftungsrisiken der Futtermittelunternehmen aussehen kann.
    => Aus Sicht der Futtermittelbranche ist eine Haftung bzgl. Ihrer Produkte insoweit abgedeckt, als dass jedes Unternehmen seine Haftpflichtversicherung besitzt. Eine verschuldensunabhängige Haftung ist nicht versicherbar – keine Versicherung würde z. B. bei Marktpreiseinbrüchen Differenzen zu fiktiven Preisen von Lebensmitteln oder Schlachttieren übernehmen.
  • Die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen zeigte sich in den vergangenen Monaten als besonders schwierig. Eine mangelhafte Abstimmung zwischen den Behörden und zwischen Bundesländern bestätigte auch das Gutachten des Bundesrechnungshofes. Ein abgestimmtes Krisenmanagement ist nicht vorhanden. Diese Punkte hat die Politik bislang noch nicht aufgegriffen und für die Zukunft maßgeblich verbessert.

 

Wie ist die Forderung einzustufen, dass nur eine 100-prozentige Freiprobung aller Futtermittel zu einem wirklichen Verbraucherschutz führen könnte?

Bei der Herstellung von Futter- und Lebensmitteln ist es wichtig, an sinnvollen und vor allem kritischen Punkten im gesamten Prozess Sicherheitsnetze über Kontrollen aufzubauen. Dies war bereits vor dem oben genannten Fall über die Installation und Anwendung des so genannten HACCP-Konzeptes gesetzlich vorgeschrieben. Hierbei steht Qualität vor Quantität! Rein nach dem Prinzip „Viel hilft viel“ kommt man weder in dieser Branche noch in anderen weiter. Außerdem: Futtermittel werden schon jetzt intensiver kontrolliert als Lebensmittel.Wichtig ist, dass jeder Inverkehrbringer von Futter und Futterbestandteilen seine Aufgaben macht und die Kontrollen schon am Anfang der Futtermittelkette einsetzen. So wird gewährleistet, dass nur futter- und lebensmitteltaugliche Bestandteile in entsprechender Qualität vom Futterhersteller verarbeitet und vom Landwirt verfüttert werden. Absichtliche, gar kriminelle Aktivitäten gilt es durch eine sinnvoll abgestimmte Überwachung auf den einzelnen Stufen der Produktionskette so schwer wie nur möglich zu machen.In vielen Lebensmitteln (z. B. Fisch, Freilandeier) werden hohe Dioxin-Werte toleriert, weil über die Umweltbelastung keine geringeren Werte möglich sind. Die Festsetzung der Höchstgehalte für Dioxine in Futtermitteln und Lebensmitteln (EU-Verordnungen) folgt nicht dem Prinzip einer möglichen „unschädlichen“ Aufnahme von Dioxinen durch den Menschen. Es gilt das Minimierungsgebot, das heißt die Aufnahme an Dioxinen ist so weit wie irgend machbar zu reduzieren. Dies führt zu Höchstgehalten, deren kurzzeitige Überschreitung keine unmittelbare und auch keine langfristige Gefahr für die menschliche Gesundheit bedeutet. Dennoch müssen die Grenzwerte in der Produktionskette der Lebensmittel auf jeder einzelnen Stufe eingehalten werden. Auch hier gilt, dass jeder für das verantwortlich ist, was er auf den Markt bringt. Die bloße Kontrolle am Ende der Verfahrenskette wird dem komplizierten Problem nicht gerecht.

Pro Jahr fressen Rind, Schwein, Geflügel und Co. in Deutschland rund 70 Millionen Tonnen Futter (in Getreideeinheiten). Eine 100-prozentige Kontrolle von Futter hieße übrigens, nicht nur das Mischfutter zu überprüfen (rund 22 Millionen Tonnen), sondern auch das Getreide und weitere Einzelfutter, die über den Landwirt direkt an die Tiere verfüttert werden (Silage, Gras – also auch jede Weide, jeder Hofboden und jeder Flussdamm vor Verwendung in der Tierhaltung).

Was sagt der DVT zur Kritik an der geplanten Chargengröße für Kontrollen?

Rohwaren für Futter werden in vielen verschiedenen Partiengrößen transportiert und geliefert (z. B. Zusatzstoffe in Big Bags à 500 kg bis hin zu Getreide in Schiffsladungen à 50.000 Tonnen). Wichtig ist deshalb erst einmal, dass diese Produkte in sich homogen und in solchen einheitlichen Partien zu beproben sind. Das angewandte Monitoring über die unterschiedlichen Produkte ist dabei repräsentativ und risikoorientiert angelegt. Die physische Kontrolle eines separaten Tankinhaltes von beispielsweise 2.000 Tonnen Mischfett (das entspräche 80 bis 100 LKW-Ladungen) ist vor allem eine Frage der richtigen Probenahme. Es gibt Methoden und Instrumente, die dies und die anschließende Untersuchung erlauben. Angesichts der äußerst sensiblen Analysemethoden kann auch ein noch so geringer Dioxin-Gehalt in einer solchen Partie festgestellt werden. Wird diese Analyse vor der Auslieferung an Mischfutterhersteller von den Herstellern der Mischfettpartie vorgenommen, bestärkt es auch nochmals das Prinzip, dass jeder, der etwas auf den Markt bringt, für die Qualität seiner Ware verantwortlich ist und diese Verantwortung auch wahrnehmen kann.

Kann es sein, dass eine Bestrafung im Fall 2010/2011 sogar vom Gesetz unterbunden wird?

Nein. Nach juristischer Prüfung bezieht sich die Zusicherung der „Straffreiheit“ lediglich auf die jeweils einer Meldung unterliegenden Ergebnisse. Keinesfalls sind zuvor im Zusammenhang mit einer möglichen Kontamination gemachte Fehler davon gedeckt.

Die juristische Aufarbeitung des letzten großen Dioxin-Ereignisses im Bereich der Mischfette zieht sich wegen der komplexen Rechtslage und der schwierigen Nachweisführung sehr lange hin. Dies ist auch ein Problem für die Futtermittelbranche. Denn nicht nur die Landwirte, auch die belieferten Futterhersteller warten auf eine entsprechende Schadensregulierung, die aber erst nach der strafrechtlichen Aufarbeitung des Falles in vollem Umfang möglich wird.

Wichtige Anmerkungen

Es ist zu beachten, dass seit dem Jahr 2002 in der ganzen EU das Verschneidungsverbot gilt, also dass ein wissentliches „Strecken“ von belasteten Komponenten mit nicht belasteten Waren bis unter den Grenzwert verboten ist! Das bewusste Verschneiden steht unter Strafe. Daran ändert auch eine Meldung einer Grenzwertüberschreitung an die Behörden nichts.Darüber hinaus existierten auch vor den aktuellen Gesetzesänderungen bereits klar geregelte Meldepflichten bei Grenzwertüberschreitungen. Alle eigenwirtschaftlichen Kontrollen, die vorher auch schon gemacht wurden, waren in den Unternehmen für Behörden einsehbar.


Weiterführende Informationen zu Dioxinen

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