Der Bundesverband der Agrargewerblichen Wirtschaft (BVA), der Deutsche Verband Tiernahrung (DVT) sowie der Verband Deutscher Mühlen (VDM) hatten gemeinsam in die baden-württembergische Landesvertretung bei der EU in Brüssel eingeladen, um das Spannungsfeld zwischen den politischen Diskussionen und Forderungen zum Thema Nachhaltigkeit auf der einen und den Realitäten in den Märkten auf der anderen Seite zu beleuchten.
Die Europaabgeordnete Elisabeth Jeggle, Mitglied im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, konstatierte in ihrem Eröffnungsstatement, dass die EU weltweit die höchsten Standards für Futter- und Lebensmittel besitze. Dennoch fehle es häufig an der Fähigkeit, Emotionen zugunsten wissenschaftlicher Erkenntnisse zurückzustellen und diese als Grundlage für Regelungen zu akzeptieren. Die Nulltoleranz gegenüber bereits sicherheitsbeurteilten, aber in der EU noch nicht zugelassenen GVO sei nicht länger zu rechtfertigen, die Importabhängigkeit der EU bei Eiweißfuttermitteln und die aus der Nulltoleranz resultierenden wirtschaftlichen Probleme müssten zur Kenntnis genommen und offen angesprochen werden. Ein gutes Beispiel für den Umgang mit diesem Problem zeige die Schweiz mit ihrem Schwellenwert für Vermischungen mit nicht zugelassenen GVO in Höhe von 0,5 Prozent. Letztlich seien GVO-Anbau und -Verwendung nicht voneinander zu trennen. Gentechnikfreie Zonen seien keine nachhaltige Zukunftsoption.
Lars Hoelgaard, Stellvertretender Generaldirektor der Generaldirektion AGRI, stellte aus Sicht der Europäischen Kommission die aktuelle Entwicklung der Rohstoff- und Getreidemärkte dar. Darüber hinaus machte er anhand des Beispiels von GVO-Zulassungen deutlich, dass die mangelnde Unterstützung durch die Mitgliedstaaten und die fehlenden Mehrheiten auf politischer Ebene eine zügige und wissenschaftlich ausgerichtete Zulassung massiv erschweren.
Für die deutschen Verbände der Getreide- und Futtermittelwirtschaft sprach DVT-Präsident Helmut Wulf und stellte heraus, dass die Verbände schon mehrfach für die genannte Schweizer Lösung plädiert haben. Als ersten Schritt forderten sie dringend die Unterstützung für die so genannte technische Lösung, die seit mehr als einem Jahr auf dem Tisch liegt. „Nur eine dauerhafte und von einzelnen Zulassungsverfahren unabhängige Lösung für den Umgang mit Spurenvermischungen nicht zugelassener GVO kann Abhilfe schaffen. Die Fälle dieses Sommers haben uns vor Augen geführt, dass die wirtschaftlichen Risiken für die gesamte Wertschöpfungskette untragbar geworden sind. Dies betrifft nicht nur Unternehmen, die mit gentechnisch veränderten Rohstoffen arbeiten, sondern auch das GVO-freie Segment des Marktes“, so Wulf.
Darüber hinaus unterstrich Wulf die Selbstverpflichtung der Getreide- und Futtermittelbranche zum nachhaltigen Wirtschaften. Nachhaltigkeitsanforderungen müssten aber für Lebensmittel und Futtermittel mit anderen Schwerpunkten festgelegt werden als für Rohstoffe für die Energiegewinnung. Nachwachsende Rohstoffe werden zum Zweck der Reduzierung von Treibhausgasen angebaut und müssen sich – anders als Lebensmittel – auch daran messen lassen. Er warnte davor, die Lebensmittelproduktion in bürokratische und nicht sachgerechte Zertifizierungskonzepte einzubeziehen und so zu benachteiligen. Abschließend forderte er, auch im Bereich Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit wissenschaftliche Erkenntnisse und Risikobewertungen als Basis zu nehmen, um Grenzwerte für Kontaminanten und Pflanzenschutzmittelrückstände sachgerecht zu entwickeln. Mit Sorge sehe die Wirtschaft, dass in der öffentlichen Diskussion zwischen Nichtregierungsorganisationen und Lebensmittelhandel zunehmend Grenz- und Richtwerte „freihändig“ postuliert werden. Richtig wäre jedoch, die Risikobewertung und die Festsetzung von Grenzwerten ausschließlich in der Hand des Gesetzgebers zu belassen.
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